Der eigene Avatar ist der ganz besondere Stolz eines jeden Spielers. Kein Wunder, schließlich steht er sinnbildlich für den eigenen Spielfortschritt und die Identität. Nicht selten ertappt man sich dabei, wie man in Spielen wie «Mass Effect», «Elden Ring» oder «The Elder Scrolls V: Skyrim» Stunden über Stunden im Baukasten verbringt und den eigenen Spielcharakter bis auf das kleinste Detail modelliert.
In dem abgedrehten Open-World-Actionspiel «Saints Row» geht es genau darum: Individualität – gewürzt mit einer Portion schrägem Humor. Das Ziel: in der Grossstadt Santo Ileso mit der Gangster-Bande Saints regieren.
«Saints Row» ist der Reboot der über 15 Jahre alten Actionserie, die sich gerade in der Anfangszeit stets als «GTA»-Killer bezeichnete. Die Reihe war stets over-the-top, bis zu dem Punkt, dass Spieler die Hölle beherrschen sollten. Mit dem am 25. August 2022 erscheinenden Neuanfang geht Entwickler Volition wieder einen Schritt zurück, gönnt aber dafür mehr Freiheiten als jemals zuvor – und das beginnt bereits beim Charaktereditor.
Der eigene Spielcharakter ist in «Saints Row» der Boss. Wie dieser aussieht, das bleibt aber jedermanns eigene Entscheidung. Im Editor gibt es zwar acht Archetypen, aber diese dienen wohl nur für Schnellstarter. Alle anderen können ihren Helden oder ihre Heldin von Kopf bis Fuss, ja vom Scheitel bis zur Sohle verändern.
Die Möglichkeiten beginnen bei den Haaren – inklusive bunter Verläufe. Kopfform, Gesichtszüge und auch die Ausmasse des Körpers passt man nahtlos an – von monströs dick, über Bodybuilder bis hin zum Spargeltarzan ist alles dabei. Die Details reichen hier sogar bis hin zu den Zähnen, den Pupillen, der Stimme, künstlichen Gliedmassen und den Emotes zum Zeigen von Emotionen. Dazu setzt das Spiel auf die freie Wahl der Hautfarbe: hell, dunkel oder doch lieber grün, gelb oder gleich bunt animiert? Der Editor serviert hier die Werkzeuge für verrückte Looks. Geschlechtergrenzen gibt es übrigens ebenfalls nicht. Man baut sich die eigene Spielfigur einfach so, wie es einem passt.
In Puncto Klamotten setzt «Saints Row» auf mehrere Schichten – also beispielsweise eine für das Unterhemd, darüber ein Shirt und ein Pulli oder eine Jacke. Die Ergebnisse variieren entsprechend stark: Volition zeigte beispielsweise eine Vampirdame mit Reisszähnen und fahler Haut oder auch eine an «Shrek» angelehnte Oger-Figur. Besonders schön: Wer gar keine Kleidung tragen möchte, verdeckt die intimsten Bereiche mit Emojis.
Das Herz von «Saints Row» ist aber die Gang – also die Saints – selbst. Als Hauptquartier dient eine Kirche, die man an Sockelpunkten mit Statuen versehen kann. Wie wäre es beispielsweise mit einem gewaltigen Roboter im Vorgarten? Kein Problem!
Auf der unteren Ebene finden sich etwa eine Garderobe zum Umziehen oder auch eine Werkstatt, um den Fuhrpark anzupassen. Dazu aber später mehr. Wichtig an dieser Stelle: Auch für die eigene Bande gibt es einen Dresscode, schliesslich ruft man immer wieder andere Gang-Mitglieder um Hilfe und kämpft mit ihnen Seite an Seite gegen andere Gruppierungen wie die hochtechnologisierten Marshalls oder die starken Panteros. In Santo Ileso tobt ein Kampf um die Macht und da will man natürlich auch cool aussehen.
Entsprechend kleidet der Boss seine Leute ein: Klassisch mit Anzug und Krawatte oder doch lieber verrückt in rosa Ballerina-Outfits? Alles ist möglich und Volition betont, dass man Spielern so die Möglichkeit geben möchte, die eigene Identität in «Saints Row» auszuleben. Darüber hinaus bestimmt man hier auch die Wahl der Vehikel: Etwa könnten Saints bevorzugt in Monster Trucks zum nächsten Verbrechen fahren.
Für die Planungen der Erweiterung des eigenen Gebiets steht übrigens die zweite Etage des Hauptquartiers bereit. Hier befindet sich die Kommandozentrale, von der aus man den nächsten Coup plant. In Santo Ileso warten nämlich 14 Geschäfte und Einrichtungen darauf, erobert zu werden, um damit die schwarze Kasse zu füllen.
Allerdings besteht ein Open-World-Spiel wie «Saints Row» aus mehr als nur einer Gang. Von dem Fahrzeug-Baukasten könnte sich manches Rennspiel eine Scheibe abschneiden. Zum einen bietet das Spiel eine ganze Reihe unterschiedlicher Vehikel: Von normalen fahrbaren Untersätzen wie Sportwagen und Familienkutschen bis hin zu Helikoptern, Hoverboards, Raumschiffen und sogar einer Galere.
Die Individualisierungsmöglichkeiten stellte Volition aber anhand eines Muscle-Cars vor. Grundsätzlich gibt es vier verschiedene Lacks wie beispielsweise matt oder glänzend. Hinzu kommen Designs und Muster. Spannender wird es aber bei der Ausstattung: Tiefer legen, Unterbodenbeleuchtung oder auch das Anbringen von Heckspoilern, Stossstangen und sogar Dachgepäckträgern sind ebenso möglich wie das Anpassen der Felgen und sogar der Hupe.
Spannend: Die Fahrzeuge besitzen Extras und individuelle Fertigkeiten. Beispielsweise besitzen alle Vehikel die Option für einen Nitro-Boost zum Beschleunigen sowie ein Abschleppkabel. Zu den Spezial-Funktionen gehört etwa eine Abrissbirne, die man hinter sich her zieht und mit der man so Verfolger plättet. Oder ein Schleudersitz, der einen in die Luft schleudert, sodass man direkt per Wingsuit weiterfliegen kann.
Wie für ein Actionspiel typisch geht’s auch in «Saints Row» ordentlich zu Sache. Die eigenen Ballermänner passt man detailgenau mit Farben, Folien und Muster an. Noch schöner: Mit so genannten Visual Mods verwandeln sich Alltagsgegenstände in Kanonen – mit teils witzigen Grafik-Effekten. So wird etwa der Gitarrenkoffer zum Raketenwerfer oder eine Krücke zum Maschinengewehr.
«Saints Row» erscheint 23. August 2022 für PC, PlayStation 4/5, Xbox One und Xbox Series S/X. Volition und das Spiel selbst mussten nach der ersten Ankündigung eine Menge Kritik einstecken. Doch die präsentierten Editor-Funktionen machen definitiv Hoffnung. Hier steckt enorm viel Liebe für Details drin, die gerade in einem Open-World-Spiel für Motivation sorgen kann. Ja, der Grafikstil und das Drumherum werden polarisieren. Die Vielzahl an Baukasten-Optionen allerdings könnten einen Standard in dem Genre setzen.